16. Sonntag 2008

Mutter vom Guten Rat 08

Angesichts der Bistumsreformen der letzten Jahre meinen die milderen Kritiker, der Bischof sei bei seinen Maßnahmen schlecht beraten gewesen; die schärferen wähnen ihn von allen guten Geistern verlassen und die Verteidiger der Umstrukturierungen weisen feinsinnig darauf hin, dass guter Rat nun mal teuer ist und daher bei knappen Kassen unbezahlbar.
Nun sollte man meinen, einem Bistum, das sich bei seiner Gründung als Patronin die Mutter vom Guten Rat erwählt hat, würde es - knappe Kassen hin, knappe Kassen her, - an gutem Rat nie ermangeln. Doch bevor man auf den guten Rat kurzerhand einen selbstverständlichen Anspruch erhebt und der Überzeugung ist, man habe ihn gleichsam mit der Wahl der Bistumspatronin im Paket erworben, empfiehlt sich ein Blick in eben jenen Text des Evangeliums, auf den sich Marias Titel "Mutter vom Guten Rat" bezieht, die Erzählung von der Hochzeit in Kana, den wir gerade gehört haben.
Der Evangelist Johannes setzt dieses Geschehnis an den Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu; und was so am Anfang steht, hat etwas Programmatisches. Es sagt etwas aus von dem, was Jesus ist, wer er ist. Er ist der, der nicht knausert, der die Fülle bringt, an guten Gaben mehr, als gebraucht wird. Diese Fülle ist das Kennzeichen des Messias. Er bringt nicht nur so gerade etwas zum Leben; er bringt so viel zum Leben, dass es gar nicht aufzubrauchen ist. Darum beantwortet die Erzählung von dem Weinwunder auf der Hochzeit von Kana zunächst und allererst die Frage: wer ist dieser Jesus aus Nazareth, dieser unscheinbare Mann aus einem Provinznest am äußersten Rande des riesigen römischen Reiches? Und die Antwort lautet: weil er die unermessliche Fülle bringt, ist er der Messias, der lang Erwartete, der heiß Ersehnte, der die verlorene Menschheit zu Heil und Leben führen wird. Das ist das Erste und Wichtigste der Hochzeitsszene. Maria kommt erst in zweiter Linie vor. Bevor sie den guten Rat gibt: "Was er euch sagt, das tut", macht sie selbst einen Lernprozess durch. Und das zeigt uns: wer sich auf Marias guten Rat berufen will, dem wird zugemutet, zu lernen. Also machen wir uns auf etwas gefasst. Dieser Lernprozess geht auch uns an, - steht wohlmöglich auch uns bevor.
Maria macht eine Entdeckung: dem Brautpaar geht der Wein aus. Wie kann man ihm aus dieser peinlichen Situation raushelfen? Maria hat Vertrauen zu ihrem Sohn. Der wird's schon richten. Doch als sie sich an ihn wendet, erhält sie eine derbe Abfuhr. Maria muss lernen: ihr Sohn ist nicht der willige Vollstrecker ihrer Wünsche. Er geht seine eigenen Wege, so wie alle Mütter lernen müssen, dass sich alle Kinder irgendwann einmal lösen und eigene Wege gehen,- gehen müssen, um erwachsen zu werden. Doch das ist erst der Anfang. Maria wird das in noch bitterer Weise erleben müssen.

Aber das ist noch nicht das Entscheidende. Für Maria - und wohl auch für uns, die wir uns in der Rolle Marias wieder finden können - kommt es noch dicker. Maria muss lernen: Gott ist nicht der Erfüllungsgehilfe unserer naiven, vordergründigen Wünsche und Bedürfnisse. Gott hat meistens Größeres im Sinn als Menschen im Sinn haben: Mach mich wohlhabend, glücklich, gesund, - hilf mir bei diesem und jenem, damit ich glänzend dastehe, so konnten vielleicht die alten Heiden zu ihren Göttern beten und ihnen Opfer versprechen. Der Gott der Juden und der Christen spielt dieses Spiel nicht mit. Gott hört unsere Bitten - kein Zweifel, doch er erfüllt sie nicht Punktum. Gott handelt, handelt in jedem Menschenleben, in der Weltgeschichte, aber nicht zwingend so, wie wir es gerne hätten. Er lässt sich die Art und Weise seines Eingreifens nicht von Menschen und ihren Wünschen vorschreiben.
Dass der Gott, der in Jesus sichtbar und greifbar wird, unseren Nöten und ‚Ängsten ganz nah kommt, dennoch auch der Ferne, der ganz andere ist, das müssen wir mit Maria lernen.
Und Maria begreift: Nicht wie ich will, so geschieht es, sondern: "Was er euch sagt, das tut!"
Maria akzeptiert die Unverfügbarkeit ihres Sohnes, sie akzeptiert die Unverfügbarkeit Gottes, des je Größeren. Sie begreift, dass Gott handelt, aber anders, als wir Menschen meinen, dass er es tun müsste und dass er sich seine rettende und erlösenden Wege von nichts und niemanden vorschreiben lässt.
Damit hat Maria wahrscheinlich das Wichtigste in der Gottesbeziehung verstanden. Vielleicht haben wir es noch nicht so begriffen wie Maria. Vielleicht meinen wir immer wieder, Gott nach unseren Maßstäben beurteilen zu müssen. In diesem Prozess, Gott als den ganz anderen, den Unverfügbaren zu begreifen und zu erkennen, kann uns Maria Schwester, Begleiterin auf dem Glaubensweg sein.
Vielleicht haben wir Marias Erkenntnisweg noch vor uns: Gott wirklich Gott sein zu lassen und ihn nicht zum Vollstrecker dessen zu machen, wovon wir meinen, es sei so richtig, gut und angemessen.
Vielleicht haben wir diesen Weg noch vor uns, - als einzelne Christen, die wir ja immer Teil einer größeren Gemeinschaft sind, der Gemeinde St. Barbara, der Pfarrei St. Augustinus, des Bistums Essen, der Weltkirche.
Wenn wir lernen - schmerzlich lernen, wie einen neuen Geburtsvorgang - Gott Gott sein zu lassen, unsere eigenen Interessen nicht mit denen Gottes zu verwechseln, dann gewinnt Marias guter Rat: "Was er euch sagt, das tut" eine ganz andere Farbigkeit und Intensität. Dann wird es uns wohlmöglich leichter, die Wege, die uns die Zeitumstände und die Lebensbedingungen zu gehen zwingen, als Gottes Wege zu erkennen und das Wagnis einzugehen, das scheinbar Unmögliche zu tun, weil gerade darin gilt: "War er euch sagt, das tut".