| Mutter vom Guten Rat 08
       Angesichts der Bistumsreformen der letzten Jahre meinen die milderen 
        Kritiker, der Bischof sei bei seinen Maßnahmen schlecht beraten 
        gewesen; die schärferen wähnen ihn von allen guten Geistern 
        verlassen und die Verteidiger der Umstrukturierungen weisen feinsinnig 
        darauf hin, dass guter Rat nun mal teuer ist und daher bei knappen Kassen 
        unbezahlbar.  
        Nun sollte man meinen, einem Bistum, das sich bei seiner Gründung 
        als Patronin die Mutter vom Guten Rat erwählt hat, würde es 
        - knappe Kassen hin, knappe Kassen her, - an gutem Rat nie ermangeln. 
        Doch bevor man auf den guten Rat kurzerhand einen selbstverständlichen 
        Anspruch erhebt und der Überzeugung ist, man habe ihn gleichsam mit 
        der Wahl der Bistumspatronin im Paket erworben, empfiehlt sich ein Blick 
        in eben jenen Text des Evangeliums, auf den sich Marias Titel "Mutter 
        vom Guten Rat" bezieht, die Erzählung von der Hochzeit in Kana, 
        den wir gerade gehört haben.  
        Der Evangelist Johannes setzt dieses Geschehnis an den Anfang des öffentlichen 
        Wirkens Jesu; und was so am Anfang steht, hat etwas Programmatisches. 
        Es sagt etwas aus von dem, was Jesus ist, wer er ist. Er ist der, der 
        nicht knausert, der die Fülle bringt, an guten Gaben mehr, als gebraucht 
        wird. Diese Fülle ist das Kennzeichen des Messias. Er bringt nicht 
        nur so gerade etwas zum Leben; er bringt so viel zum Leben, dass es gar 
        nicht aufzubrauchen ist. Darum beantwortet die Erzählung von dem 
        Weinwunder auf der Hochzeit von Kana zunächst und allererst die Frage: 
        wer ist dieser Jesus aus Nazareth, dieser unscheinbare Mann aus einem 
        Provinznest am äußersten Rande des riesigen römischen 
        Reiches? Und die Antwort lautet: weil er die unermessliche Fülle 
        bringt, ist er der Messias, der lang Erwartete, der heiß Ersehnte, 
        der die verlorene Menschheit zu Heil und Leben führen wird. Das ist 
        das Erste und Wichtigste der Hochzeitsszene. Maria kommt erst in zweiter 
        Linie vor. Bevor sie den guten Rat gibt: "Was er euch sagt, das tut", 
        macht sie selbst einen Lernprozess durch. Und das zeigt uns: wer sich 
        auf Marias guten Rat berufen will, dem wird zugemutet, zu lernen. Also 
        machen wir uns auf etwas gefasst. Dieser Lernprozess geht auch uns an, 
        - steht wohlmöglich auch uns bevor. 
        Maria macht eine Entdeckung: dem Brautpaar geht der Wein aus. Wie kann 
        man ihm aus dieser peinlichen Situation raushelfen? Maria hat Vertrauen 
        zu ihrem Sohn. Der wird's schon richten. Doch als sie sich an ihn wendet, 
        erhält sie eine derbe Abfuhr. Maria muss lernen: ihr Sohn ist nicht 
        der willige Vollstrecker ihrer Wünsche. Er geht seine eigenen Wege, 
        so wie alle Mütter lernen müssen, dass sich alle Kinder irgendwann 
        einmal lösen und eigene Wege gehen,- gehen müssen, um erwachsen 
        zu werden. Doch das ist erst der Anfang. Maria wird das in noch bitterer 
        Weise erleben müssen. 
      Aber das ist noch nicht das Entscheidende. Für Maria - und wohl 
        auch für uns, die wir uns in der Rolle Marias wieder finden können 
        - kommt es noch dicker. Maria muss lernen: Gott ist nicht der Erfüllungsgehilfe 
        unserer naiven, vordergründigen Wünsche und Bedürfnisse. 
        Gott hat meistens Größeres im Sinn als Menschen im Sinn haben: 
        Mach mich wohlhabend, glücklich, gesund, - hilf mir bei diesem und 
        jenem, damit ich glänzend dastehe, so konnten vielleicht die alten 
        Heiden zu ihren Göttern beten und ihnen Opfer versprechen. Der Gott 
        der Juden und der Christen spielt dieses Spiel nicht mit. Gott hört 
        unsere Bitten - kein Zweifel, doch er erfüllt sie nicht Punktum. 
        Gott handelt, handelt in jedem Menschenleben, in der Weltgeschichte, aber 
        nicht zwingend so, wie wir es gerne hätten. Er lässt sich die 
        Art und Weise seines Eingreifens nicht von Menschen und ihren Wünschen 
        vorschreiben. 
        Dass der Gott, der in Jesus sichtbar und greifbar wird, unseren Nöten 
        und Ängsten ganz nah kommt, dennoch auch der Ferne, der ganz 
        andere ist, das müssen wir mit Maria lernen.  
        Und Maria begreift: Nicht wie ich will, so geschieht es, sondern: "Was 
        er euch sagt, das tut!" 
        Maria akzeptiert die Unverfügbarkeit ihres Sohnes, sie akzeptiert 
        die Unverfügbarkeit Gottes, des je Größeren. Sie begreift, 
        dass Gott handelt, aber anders, als wir Menschen meinen, dass er es tun 
        müsste und dass er sich seine rettende und erlösenden Wege von 
        nichts und niemanden vorschreiben lässt. 
        Damit hat Maria wahrscheinlich das Wichtigste in der Gottesbeziehung verstanden. 
        Vielleicht haben wir es noch nicht so begriffen wie Maria. Vielleicht 
        meinen wir immer wieder, Gott nach unseren Maßstäben beurteilen 
        zu müssen. In diesem Prozess, Gott als den ganz anderen, den Unverfügbaren 
        zu begreifen und zu erkennen, kann uns Maria Schwester, Begleiterin auf 
        dem Glaubensweg sein. 
        Vielleicht haben wir Marias Erkenntnisweg noch vor uns: Gott wirklich 
        Gott sein zu lassen und ihn nicht zum Vollstrecker dessen zu machen, wovon 
        wir meinen, es sei so richtig, gut und angemessen.  
        Vielleicht haben wir diesen Weg noch vor uns, - als einzelne Christen, 
        die wir ja immer Teil einer größeren Gemeinschaft sind, der 
        Gemeinde St. Barbara, der Pfarrei St. Augustinus, des Bistums Essen, der 
        Weltkirche. 
        Wenn wir lernen - schmerzlich lernen, wie einen neuen Geburtsvorgang - 
        Gott Gott sein zu lassen, unsere eigenen Interessen nicht mit denen Gottes 
        zu verwechseln, dann gewinnt Marias guter Rat: "Was er euch sagt, 
        das tut" eine ganz andere Farbigkeit und Intensität. Dann wird 
        es uns wohlmöglich leichter, die Wege, die uns die Zeitumstände 
        und die Lebensbedingungen zu gehen zwingen, als Gottes Wege zu erkennen 
        und das Wagnis einzugehen, das scheinbar Unmögliche zu tun, weil 
        gerade darin gilt: "War er euch sagt, das tut". 
       
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